Männer haben’s auch nicht leicht – Yogis und Vorurteile

Als ich mit dem Yoga anfing, wusste ich nichts darüber. Also wirklich gar nichts. Ich habe mich quasi selbst ins kalte Wasser bzw. auf die Matte geworfen und den so genannten „Krankenkassenkurs“ gemacht: Zehn Yogaklassen, die den absoluten Laien in die spirituellen und körperlichen Aspekte von Yoga einführt. Für mich war das ein sehr guter Weg, ich muss Dinge einfach machen um sie zu machen. Und in meinen ersten zehn Wochen habe ich mit Yoga etwas gefunden, was mein Leben wahnsinnig bereichert und verändert hat und praktiziere seitdem mehrmals pro Woche. Vielen Dank an dieser Stelle übrigens an die Yogapraxis in Berlin-Schöneberg für eine sanfte und inspirierende “Entjungferung“.

Mein etwas naiver Start als Yogi war außerdem der Grund, warum ich keinerlei Vorurteile gegenüber Yoga, Yogis und Yoginis haben konnte. Ich kannte auch nur wenige Leute, die Yoga praktizierten und alle waren weiblich. So nach und nach habe ich aber gelernt, was uns Männern im Studio manchmal unterstellt wird:

 

Yogis sind vegane Öko-Hippies.

Grobes Missverständnis! Ich würde mich selbst unter Umständen als Teilzeit-Hippie bezeichnen, das war es dann aber auch schon. Ich esse Fleisch und mag Autos, trinke Alkohol und esse industriell produzierte Lebensmittel. Ist so. Und viele andere Männer, die ich in Studios kennen gelernt habe, sind auch keine Vollzeit-Yogis, sondern finden auf der Matte etwas, was ihnen im restlichen Leben fehlt. Nach der Morgenklasse binden sie sich dann die Krawatte um und kämpfen dann weiter mit frischer Kraft für den Sieg des Turbokapitalismus.

 

Yogis sind schwul.

Es ist tatsächlich so, dass ich keine Ahnung habe, ob jemand hetero-, homo- oder wasauchimmersexuell ist, bis er es mir ins Gesicht schreit. Und meiner Meinung nach ist es auch relativ egal, wer da wie genau ausgerichtet ist. Fakt ist aber, dass ich in einer sehr „traditionellen“ Familiensituation (Mama-Papa-Kind) lebe und im Studio ebenfalls zahlreichen heterosexuellen Männern begegne. Studenten, Werbetexter, Singles und eben auch Familienväter. Ich weiß nicht genau, woher dieses Vorurteil kommt, ich weiß nur dass es das gibt und dass es so auf keinen Fall stimmt. Eine Yogalehrerin hat mir auch verraten, dass sie regelmäßig von Schülern um ein Date gebeten wird, und das bringt mich zum nächsten Punkt…

 

Yogis wollen nur Frauen abchecken.

Wenn heterosexuelle Männer Yoga machen, dann lediglich um Frauen kennen zu lernen oder ihnen wenigstens auf den Lycra-bespannten Hintern schauen zu können. An diesem Vorurteil ist wahrscheinlich sogar was dran, aber wo soll „Mann“ denn sonst jemanden fürs Leben oder einen Teilabschnitt davon finden 😀 Das mit dem Kennenlernen stelle ich mir allerdings etwas kompliziert vor, weil man beim Yoga traditionell nicht so viel spricht („Atmen!“). Das ist übrigens einer der Gründe, warum ich es so sehr liebe. Noch schwieriger als das Flirten aber ist es, einen Körper bzw. Teile davon im Auge zu behalten – die meiste Zeit schaut man beim Yoga ja entweder zur Decke oder auf seine eigenen Füße. Also sicherlich gibt es beim ein oder anderen den Willen, Mädels abzuchecken, wie das konkret funktionieren soll, erschließt sich mir aber nicht.

 

Fleischfressender, heterosexueller, verheirateter, verschwitzter und singender Yogadude. Im Handstand.
Fleischfressender, heterosexueller, verheirateter, verschwitzter und singender Yogadude. Im Handstand.

 

Yogis wollen nicht berührt werden.

Yoga funktioniert nicht ohne Körperkontakt. Assists gehören zu einer guten Klasse, seien es minimale Korrekturen („Magic Touch“) oder massives körperliches Einwirken, um noch intensiver in eine Haltung zu gelangen. Außerdem gibt es zu Beginn und am Ende der Klasse meistens eine kleine Massage und etwas aus Menthol oder Lavendel auf den Nacken. Ich persönlich freue mich wenn ich physische Unterstützung bekomme und meine Praxis so verbessern kann. Und niemand kann ernsthaft sagen, dass er nach 90 Minuten Open Class etwas gegen eine Massage hat J Lange Zeit fand ich es allerdings etwas unangenehm, dass eine fremde Person meine (wirklich) verschwitzte Haut berührt, man schämt sich ja für alles, was den Körper so verlässt. Mir wurde allerdings von zwei Yogalehrerinnen glaubhaft versichert, dass das okay ist, weil der Mensch eben auch ein Mensch ist. Und seitdem fühle ich mich am Ende der Klasse noch besser, wenn die „heilenden Hände“ an meiner Matte Halt machen.

 

Yogis chanten nicht.

Dieses Vorurteil stimmt leider ein bisschen. In vielen Yogaklassen wird nicht nur „geomt“, sondern außerdem noch gechantet, also gesungen. Und aus irgendeinem Grund fällt es Frauen leichter, das in der Öffentlichkeit zu tun als Männern. Beim Yoga merkt man das daran, dass die untere Oktave beim chanten unterproportional leise ist. Dank mehrerer Jahre Gesangsunterricht habe ich kein kein Problem damit, mich auch stimmlich ins Zeug zu legen, die anderen Herren der Schöpfung könnten da gerne noch etwas nachlegen und – dank der Übersetzungen im Chant Book – ganz nebenbei noch etwas Sanksrit lernen.

 

Das sind sie, die fünf typischen Vorurteile, mit denen wir armen Yogadudes leben müssen. Wir haben es eben auch nicht leicht 😀 Ich bin übrigens offen für Vorurteile aller Art, wenn euch also was einfällt, gerne her damit. Namaste.

 

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