Normalerweise ist hier im Blog ja alles eher witzig, froh und tralala, aber nach der vergangenen Woche kehrt sogar hier mal kurz so etwas wie Ernst ein. Denn obwohl uns Yogis nichts so einfach aus dem Gleichgewicht bringt, sind die Nachrichten aus Nizza und der Türkei dann doch zu viel des Schlechten. Nein, ich bin nicht weinend vor dem Fernseher gelegen, was auch daran liegt, dass ich keinen Fernseher habe (selbst ernanntes Bildungsbürgertum) und nachrichtenmäßig leider etwas abgestumpft bin. Außerdem weinen Männer ja eigentlich nicht. Obwohl es Situationen gibt, in denen selbst den härtesten Kerlen unweigerlich die Tränen kommen:
1. „Ich hab nur was im Auge.“
Der wohl häufigste Grund, warum echte Kerle Tränen vergießen. Ein Staubkorn, eine Mücke, Shampoo oder Sonnencreme? Da bleibt kein Männerauge trocken, es ist ja auch ein so empfindliches Organ. Jeder versteht das, vor allem andere Männer wissen, wie hart so was sein kann. Manche Männer weinen angeblich auch bei einer fiebrigen Erkältung.
2. Du bist traurig.
Überraschung – Menschen weinen, weil sie Trauer empfinden. Irgendwann auf dem Weg vom Kleinkind zum Erwachsenen gewöhnen wir uns ab unsere Trauer als Weinen zu artikulieren. Ein zweijähriger Junge weint ungefähr zehn Mal täglich (z.B. kein Frühstück, falsches Frühstück, zu wenig Frühstück, zu viel Frühstück, Frühstück auf dem falschen Teller, falsche Stuhlbelegung beim Frühstück, zu wenig/viel Licht/Temperatur/Musik beim Frühstück etc.), da ist es als Dreißigjähriger absolut in Ordnung bei der Beerdigung einer geliebten Person feuchte Augen zu bekommen. Ich finde es schrecklich, dass Menschen überhaupt sterben müssen und Weinen ist meiner Meinung nach die einzig richtige Reaktion auf einen Abschied für immer.
3. Du bist glücklich.
Wenn „Gefühle heute nur noch etwas für die ganz Mutigen sind“, dann sind Freudentränen auf jeden Fall so etwas wie Weinen für Fortgeschrittene. Männer bekommen das fast gar nicht hin, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Wer das gerne mal ausprobieren möchte, dem empfehle ich ein Kind zu zeugen und es direkt nach der Geburt im Arm zu halten. Wer dann nicht weint, sollte dringend seinen Puls prüfen lassen.
4. Deutschland scheidet im Halbfinale der Fußball-EM völlig unverdient gegen Frankreich aus.
Diese Tränen trocknen niemals. Niemals!
5. Beim Yoga
Ist das noch Schweiß oder sind das schon Tränen? Ein kleines Geheimnis ist, dass viele Yogis am Ende der Klasse in Shavasana weinen müssen. Also weniger als unkontrolliertes Schluchzen, sondern eher in Form von Tränen, die unaufhaltsam übers Gesicht laufen. Da ich in der Tiefenentspannung die Augen geschlossen habe und mit meinen eigenen Gefühlen beschäftigt bin, weiß ich nicht, wie vielen Leuten das passiert. Aber es passiert. Und dafür gibt es zwei Erklärungen: Häufig ist es so, dass nach der körperlichen Anstrengung die Seele aufatmet, weil der ganze Alltagsstress, den wir vor der Klasse angesammelt haben, innerhalb kürzester Zeit von uns abfällt. Und dieses Aufatmen äußert sich bei einigen Menschen eben in Form von Tränen. Die andere Erklärung ist weniger schön, denn in manchen Fällen kann es sich um ein verdrängtes Problem handeln, das sich in Shavasana seinen Weg in unser Bewusstsein bahnt. Yoga hilft uns dabei, die Kontrolle über unsere Gedanken abzugeben und so kommt auch Unbewusstes an die Oberfläche, dem wir uns über kurz oder lang auch mal stellen müssen.
Wenn dir also nach einer schweißtreibenden Yogaklasse die Tränen kommen, hast du höchstwahrscheinlich alles richtig gemacht und kannst dich über die maximale Entspannung freuen. Vergiss aber nicht, ab und zu mal in dich hinein zu hören, ob es nicht doch etwas gibt, was du aktiv verarbeiten solltest. So oder so habe ich immer gerne ein Handtuch in meiner Nähe, um die feuchten Wangen blitzschnell wieder trocknen zu können und meinem Status als Testosteron-Yogi gerecht zu werden. Namaste!