Wenn der Kopf nicht mitmacht, ist es nur Gymnastik
Auch wenn ich immer mit relativ viel Humor über meine Yogapraxis schreibe: Für mich ist Yoga mehr als das schweißtreibende Ausführen von Asanas. Ich mache mir in letzter Zeit viele Gedanken darüber, was der „nichtkörperliche“ Teil von Yoga genau für mich bedeutet und bin da ehrlich gesagt mitten in einer Art Findungsprozess. Bevor dieser Prozess in ferner Zukunft abgeschlossen ist, weiß ich schon heute: Yoga hat mich als Mensch stark verändert. Und wie gesagt: Nicht nur körperlich.
Nur die Ruhe
Zu Beginn meines Yogi-Lebens war es dieser beruhigende Aspekt des Yoga, der mir zuerst aufgefallen ist. Ich hatte schon immer eine große Klappe und die werde ich auch nicht loswerden – aber seitdem ich Yoga praktiziere, empfinde ich eine innere Ruhe und die hat nichts mit meinem lauten Handeln zu tun. Ausgeglichenheit, Entspannung, Nachdenken. Ich genieße dieses Gefühl nach einer Yogaklasse und kann zumindest einen Teil davon auch in mein übriges Leben mitnehmen. Also nach Hause und auch zur Arbeit, bis zu mehrere Tagen lang. Es ist nicht so, dass mir jetzt alles um mich herum scheißegal ist, wie jemandem, der sehr viel Marihuana raucht. Aber beängstigend war es schon irgendwie, als ich vor kurzem aus meinem Job gekündigt wurde und deshalb keine Sekunde besorgt war, sondern nur Positives darin sehen konnte. Lag im Endeffekt vielleicht aber auch an dem Job.
Von wegen Voodoo
Die Wissenschaft gibt mir da übrigens Recht: Angeblich schüttet das Gehirn nach zwei Monaten regelmäßiger Yogapraxis den Botenstoff Gamma-Aminobuttersäure verstärkt aus, während die Produktion von Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin vermindert wird. Das ist in ungefähr das, was bestimmte Beruhigungsmittel (sog. Tranquilizer) im Gehirn anstellen, die in Deutschland immerhin unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Also kannst du dir den Weg zu deinem Dealer sparen, wenn du zwei Monate lang brav Yoga übst. Praktisch und sogar legal.
Bewusster leben
Seit ich regelmäßig Yoga praktiziere, habe ich das Gefühl, noch mehr im Hier und Jetzt zu sein. Das ist mit das Beste, was für mich in der Yogalehre steckt (neben der Sache mit dem Weltfrieden natürlich). Denn auf jedem zweiten Instagram-Post kann man ja quasi lesen, dass jeder Moment kostbar und einzigartig ist. Es aber wirklich zu fühlen und danach zu leben, ist dann doch ein ganz anderes Level (auf das ich auch noch kommen muss). Yoga hilft mir dabei, dort anzukommen. Und wenn ich übe und meditiere, bin ich da wohl schon relativ nah dran. Da kann es bei Shavasana am Ende einer guten Klasse schon auch mal passieren, dass mich alles überwältigt und ich weinen muss. Auch gerne aus purer Freude und Glücksgefühl.
Ich bin ein Krieger
Yoga hat mich selbstbewusster gemacht. Ist so. Ich hatte eigentlich nie größere Probleme mit meinem Selbstbewusstsein (siehe Absatz 2: „Kündigung aus dem Job“), aber Yoga hat mich noch stärker gemacht. Einen regelrechten Aha-Moment hatte ich in einer körperlich fordernden Klasse, als der Lehrer uns im Krieger 2 bat, uns mal bewusst zu machen, warum die Haltung denn so heißt. Und es stimmt, wir Yogis sind Krieger. Friedliebende, (oftmals) vegetarische, emotionale, aber eben auch starke, kämpfende und selbstbewusste Krieger. Mir hilft dieser Gedanke und ich denke, vielen anderen geht es auch so. Vielen Dank, lieber Yogalehrer.
Momente der absoluten Klarheit
Vor einigen Monaten habe ich ein absolutes Meditations-Highlight erlebt: Ich sah absolut klar. Es ging nur um einen bestimmten Aspekt meines Lebens, der mich jahrelang widersprüchlich beschäftigt hat und plötzlich konnte ich die Sache ganz klar so sehen, wie sie ist. Ohne Einfluss von anderen Gedanken, ohne Färbung und ohne Gefühle. Das war ein großer Luxus und ich wünsche mir noch viele weitere dieser Momente. Ich weiß nicht, was Wissenschaft und Yoga-Gurus dazu sagen, aber wenn es mir passiert ist, wird es auch anderen so gehen.
Mens sana in corpore sana
Was im Lateinbuch steht, kann gar nicht falsch sein. Oder so. Fakt ist: Mein Yoga hilft mir mich in meinem Körper wohl zu fühlen und fit zu sein, aber eben auch meine Gedanken zu erforschen und zu ordnen. Wenn ich ernsthafte psychische Probleme hätte, würde ich auf jeden Fall auch mit einem geliebten Menschen und gegebenenfalls mit einem Therapeuten sprechen. Wenn du aber einfach nur im Reinen mit dir und der Welt sein willst: Ab auf die Matte.
Der nächste Teil dieser Serie wird sich mit den Auswirkungen von Yoga auf deinen Freundeskreis beschäftigen. Bis es soweit ist, noch einen schönen Restsommer und Namaste!
Fotos von Liza Meinhof.