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Von wegen Shanti – so asozial ist das Yoga-Business

Ich erkenne ein Muster.

Irgendwann Anfang 20 verabschiedete ich mich von dem Gedanken, ein Leben als professioneller Rockmusiker zu führen. Zu viel Stress, zu wenig Geld. Und trotzdem genug Wahnsinnige, die Schlange stehen, um den Job an meiner Stelle zu machen. Allerdings hat mich mein Beruf als Texter in Werbeagenturen auch nicht immer glücklich gemacht: Zu viel Stress, zu wenig Geld. Und trotzdem genug Wahnsinnige, die Schlange stehen, um den Job zu an meiner Stelle zu machen. Was macht der gescheiterte Rockstar und strapazierte Werber also folglich? Er wird Yogalehrer. Und nach spätestens einem Jahr ist klar: Wer Yoga zum Beruf macht, hat unter Umständen viel Stress und wenig Geld. Und es wird immer genug Wahnsinnige geben, die Schlange stehen, um den Job an seiner Stelle zu machen. 

Was ist das Problem?

Ich habe eigentlich gar kein Problem. (Mit fast niemandem.) Und ich bin jeden Tag dankbar dafür, was ich als Yoga-Profi schon erreicht habe. Aber nach den ersten zwölf Monaten als Yogalehrer ist mir klar geworden, dass die Reise zur Erleuchtung eine Ware ist, die mit harten Bandagen an den Mann (und die Frau und x) gebracht wird:

Die Ausbildung.

Anfang der 2000er-Jahre war ich Teil einer Demonstration gegen die neu eingeführten Studiengebühren in Baden-Württemberg. Hätte ich damals gewusst, dass mein BWL-Studium im Vergleich zum Yoga Teacher Training ein glatter Witz ist – ich wäre zuhause geblieben und hätte mich über das Schnäppchen gefreut. Eine Yogalehrerausbildung kostet schnell mal einen fünfstelligen Euro-Betrag (, der in vielen Fällen wahrscheinlich von Mama und Papa investiert wird).

Die Bezahlung.

Wenn ich an einer privaten Elite-Hochschule IMB („Irgendwas mit Business“) studiere, werde ich hinterher mit einem üppigen Gehalt belohnt. Wenn ich vier Wochen in Costa Rica meinen Yogalehrerschein mache, kann es sein, dass ich mich finanziell nach meinem Stundenlohn als ungelernter Lagerarbeiter zurücksehne. Mit der Arbeit als Yogalehrer lässt sich bestimmt auch gutes Geld verdienen. Dafür musst du aber weitaus mehr machen, als in einem Yogastudio 60- oder 90-minütige Kurse geben. Kein Wunder betreiben viele Lehrer ihren Unterricht als Nebenjob: Schon alleine, um das Teacher Training zu finanzieren, muss man nämlich ganz schön viele Stunden geben.

Die Sicherheit.

Ich habe schon einiges gesehen, im Yoga-Geschäft. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, schon alles gesehen zu haben. Außer einen fest angestellten Yogalehrer. Denn Yogalehrer sind im Normalfall Unternehmer und deshalb auch sofort kündbar. Und ohne Einkommen, wenn wir krank oder im Urlaub sind. Immerhin sorgt sich der Gesetzgeber um unsere Zukunft und macht den Beruf auch für Selbständige komplett rentenversicherungspflichtig. Auch für Yogalehrer, die nur eine Stunde in der Woche als solche arbeiten.

Der Umgangston

Traurig aber wahr: Was Form und Inhalt der Kommunikation in Yogastudios betrifft, können sich Werbeagenturen noch einiges abschauen. Ich wurde kürzlich Zeuge, wie eine Yogastudio-Mitarbeiterin beim Telefonat mit ihrer Vorgesetzten wegen eines nichtigen Fehlers in Tränen ausbrach. Aber woher sollten die Yoga-Bosse es denn besser wissen? Personalführung wird im Teacher Training leider nicht gelehrt. (Im Designstudium übrigens auch nicht.) Und wo intern schon mal eher rustikal miteinander konferiert wird, geht es bei anderen Yogastudios gerne mal mit dem Anwalt dagegen. Das durfte ich hier im Blog letztes Jahr auch schon erleben. Von wegen Peace and love und so.

Was soll ich denn machen?

Yoga ist ein Geschäft. Und ein Geschäft hat gewisse Regeln. Ob man die als Yogastudio unbedingt übernehmen muss, weiß ich nicht. Das Killer-Argument wird wohl sein, dass man sich dem Markt anpassen müsse, um zu überleben. Bei manchen sieht es aber nicht so aus, als ginge es gerade noch ums Überleben. Ich kenne Studioleiter, die mit der Rolex am Handgelenk zur Arbeit kommen oder sich auf Facebook über irgendwas mit Bonusmeilen aufregen. Allerdings muss ich sagen, dass das Studio, in dem ich unterrichte, wirklich fair ist. Die Yogalehrer werden nicht nur gut behandelt, sondern auch am Erfolg der Yogaklassen beteiligt. Und die Studio-Chefin begegnet jedem mit Bescheidenheit und Respekt. Ohne Rolex und Bonusmeilen. Bitte nicht falsch verstehen: Ich gönne jedem den Erfolg und nehme selbst auch gerne Geld für meine Arbeit. Aber vielleicht wäre das Yoga-Business der perfekte Platz für ein paar neue Business-Regeln? Die Rahmenbedingungen können in unserer Friede-Freude-Eierkuchen-Blase eigentlich nicht besser sein. Denn auch Idealisten wie wir freuen sich über gute Behandlung und Wertschätzung. Namaste.

Fotos: Liza Meinhof

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