Sauft, ihr Heiden!
Auch wenn ich es in den letzten Jahren in Berlin und München nicht so richtig mitbekommen habe: Es ist schon wieder Karneval. Oder Fastnacht bzw. Fasnacht, Fasnet, Fasching, Fastabend, Fastelovend, Fasteleer oder einfach die fünfte Jahreszeit. Für die einen ein Alptraum, für die anderen ganzjähriger Lebensinhalt. Und für die Kinder? Fantastisch: Es wird getanzt und gefeiert und verkleidet, ausgelassene Erwachsene (Prost!) werfen bei den Umzügen Süßigkeiten von LKW-Anhängern. Die Tradition von Fasching geht übrigens Jahrtausende zurück (Klugscheißeralarm!) und hat dabei weniger was mit Bonbons und grenzenlosem Alkoholkonsum, sondern eher mit einem religiösen Festakt zu tun. Im Lauf der Zeit wurde daraus dann das, was es heute ist – genau wie Ostern, Weihnachten und die anderen perfekt durchchoreographierten Konsumanlässe. Aber nur, weil zuerst das Christentum und dann der Kapitalismus sich auf den Karneval gestürzt haben, lasse ich mir meine Partystimmung noch lange nicht verderben. Helau!

Willst du das wirklich anziehen?
Übers Kostümieren und Maskeraden bei uns Yogis habe ich ja schon mal geschrieben. Aber jetzt wird das ernst: Ich gehe am Wochenende auf eine Faschingsparty (Schlager!) und irgendwas Lustiges muss ich mir dafür schon überwerfen. Oder reicht da schon mein Yogadude-Kostüm mit Glitzer-Leggings, Nagellack und nature-stoned Yogi-Grinsen? Nein, ein bisschen ausgefallener darf es dann doch sein. Und weil ich mir trotzdem treu bleiben möchte, lasse ich mich dabei von der Yogawelt inspirieren. Da gibt es auch einiges, was – zumindest optisch – auf dem Karneval nicht auffallen würde: Mein geliebter Ganesh mit dem Elefantenkopf. Oder der coole Affengott Hanuman. Oder alle anderen crazy Typen mit vielen Armen und Köpfen und in den buntesten Farben. So müssen Götter aussehen, dann hat man auch wieder Lust auf Religion. Der angenagelte dünne Mann mit dem traurigen Blick zieht nicht grundlos immer weniger Menschen in die Kirche. Magersüchtige mit durchlöcherten Körperteilen findet man in Berlin ja an jeder Ecke. Außerdem wäre „Jesus“ als Faschingskostüm selbst in heutiger Zeit relativ schwierig. Zumindest hier in Süddeutschland.

Jehova! Jehova!
Es gibt Kostüme, die sollte man besser nicht tragen. Als Jesus zum Tanzen zu gehen, könnte sicherlich die religiösen Gefühle des ein oder anderen verletzen. Obwohl er für viele der ultimative Superheld ist. Und ein Superheld will jeder gerne mal sein, nicht nur an Fasching. Es ist die einzige Chance im Jahr, übernatürliche Kräfte zu haben und der zu sein, der man gerne wäre. Eine Auswahl der Kostüme aus meiner Vergangenheit? Indianer, Zorro, Vampir und – Prinzessin. Alles Figuren mit Superkräften. Und alles Figuren, die ich im Alltag nicht sein kann oder will. Also liegt es doch nahe, sich auch mal in aller Bescheidenheit als Gott zu verkleiden. Vielleicht als indischer Gott? Schon bei dem Gedanken daran zittere ich vor den Facebook-Kommentaren der Yoga-Fundamentalisten: Blasphemie! Blasphemie! Also krame ich besser nochmal das Prinzessinnen-Kostüm raus am Wochenende. Dann passe ich auch besser zu meinem Sohn, der sich – im Irrglauben, er könne alles und jeden dann herumkommandieren – als König (Superkraft: Macht) verkleidet hat. Seine kleine Schwester geht übrigens als Frosch (Superkraft: Springen).

Don’t mess with my Faschingskostüm.
Eigentlich wollte ich schon letzten Donnerstag kostümiert zu meiner Early Bird-Klasse erscheinen. Das habe ich im morgendlichen Tran dann aber leider vergessen. Aber immerhin fiel mir dann eine schöne Geschichte ein, die etwas mit Fasching zu tun hat: Unser Sohn (der König) wollte bis vor kurzem im echten Leben ein Hund (davor: Dino) sein. Also nicht nur an Karneval oder zum Spiel, sondern für immer. Irgendwann haben wir ihn dann gefragt, warum ihm das so wichtig sei. Er erwiderte, als Dino oder Hund ist der stark und gefährlich und muss vor nichts und niemandem Angst haben. Und man kann über kleine Kinder sagen, was man will. Aber sie sind auf jeden Fall weiser als wir Erwachsenen und wir sollten sie öfter mal zu Rate ziehen. Dass Kinder Ängste haben, ist normal und nichts Neues. Ich habe auch Angst, klar. Aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, ein anderer zu werden, der stärker ist als diese Ängste. Erwachsene ignorieren meist, was ihnen Angst macht. Oder sie stellen sich diesen Dingen und bekämpfen die Ursachen. Doch in den seltensten Fällen wollen wir uns so verändern, dass wir stärker als unsere Ängste werden. Wenn jemand mich bedroht, gehe ich gegen ihn vor. Wenn jemand den Vierjährigen bedroht, wird der zum Dino. Und wer ist denn bitte ernsthaft so beknackt, dass er sich mit einem Dinosaurier anlegt?

Yoga und Karneval? Passt.
Karneval und Yoga vertragen sich auf den ersten, zweiten und dritten Blick sowas von gar nicht miteinander. Sollte man meinen. Denn im Ursprung war der Fasching mal ein Fest der Toleranz und Gleichstellung. Lokah Samasta… und so, klingelt da was? Laut Wikipedia gibt eine altbabylonische Inschrift aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. Kunde davon, dass unter dem Priesterkönig Gudea ein siebentägiges Fest gefeiert wurde und zwar nach Neujahr als symbolische Hochzeit eines Gottes. Die Inschrift besagt: „Kein Getreide wird an diesen Tagen gemahlen. Die Sklavin ist der Herrin gleichgestellt und der Sklave an seines Herrn Seite. Die Mächtige und der Niedere sind gleichgeachtet.“ Hier wird zum ersten Mal das Gleichheitsprinzip bei ausgelassenen Festen praktiziert und dies ist bis heute ein charakteristisches Merkmal des Karnevals.(Quelle: Wikipedia) Vielleicht sollten die Hardcore-Karnevalisten sich daran mal erinnern, wenn das nächste Mal nur die leicht bekleideten Mädchen auf der Bühne die Beine heben? Oder für ein paar schnelle Lacher die Grenze zum Sexismus etwas stark gedehnt wird? Andererseits könnten sich manche Yogis bei den Teilzeit-Narren eine Scheibe abschneiden: In Sachen Humor, zum Beispiel – vor allem, wenn es darum geht, über sich selbst zu lachen. Ich werde auf jeden Fall mein Faschingswochenende in vollen Zügen genießen. Erst beim Tanz auf dem Land und am nächsten Tag auf dem Umzug in der alten Heimat. Für die Gleichstellung und Lebensfreude und vor allem: Für den Spaß. Namaste.
Fotos: Liza „Left-Eye“ Meinhof
Die wunderschöne Air Tank Top und die Active Tight auf den Bildern haben mir meine Freunde von OGNX netterweise zur Verfügung gestellt.