Schnell mal was aufgeschrieben.
Bloggen als Sport: Kompakte Informationen, schnell lesbar. Google-optimiert. Maximal 5 Minuten pro Artikel. Oder eher das Gegenteil davon? Bloggen als eine Art Sport, bei der es darauf ankommt, so viele Worte wire nur irgend möglich aneinander zu reihen, die wahre Schönheit der Sprache über ihre schiere Masse zu kommunizieren, in auswüchsigen, kaum zu überblickenden Satzkonstruktionen, die (ganz nebenbei) ohne jegliche Form der Wertung ausgedrückt, nicht nur das Ego des Schreibenden zu Papier bringen, sondern ein eine vokabulare Grundausstattung voraussetzen, die sich in diesen Tagen kaum noch ein Individuum, das nicht dem akademischen Lehrbetrieb anhängt, leisten kann oder will. Blablabla. Wenn Schreiben eine Sportart wäre, gehörte ich zu den Kurzstreckenathleten. (Kein Wunder dauert das mit meinem Buch so lange…).
Alles außer Sport.
Zum Glück ist das Schreiben kein Kraft- oder Ausdauersport (glaube ich zumindest). Sonst gäbe es in den Sportgeschäften und Online-Shops für Yoga und Fitness auch Schreibgerät und Texterkleidung zu kaufen. Und das Aneinanderreihen von Wörtern wäre auch nicht so, wie wir es kennen. Schönheit der Sprache, Wortwitz oder gar inhaltliche Relevanz? Wären beim Sporttippen nebensächlich. Es ginge um höher, schneller, weiter und garantiert auch um Suchmaschinenrelevanz. Genau so unsportlich wie die Schreiberei ist bekanntlich auch Yoga. Zumindest tun wir immer so als ob. Allerdings gibt es sowohl in der Asanapraxis („Krasser Handstand“) als auch in der spirituellen Lehre („Ich habe gerade nochmal Patanjalis Yogasutra durchgelesen…“) ein zumindest ansatzweises Wettkampfdenken. Ganz zu schweigen von “Everybody’s Darling” Instagram, das offensichtlich dafür geschaffen wurde, Fotos von gymnastischen Posen (am besten knapp bekleidet) mit weisen Worten (am besten reichlich bemessen) zu kombinieren und richtig viele (Competition!) Likes dafür zu kassieren. Aber klar, Yoga ist eigentlich kein Sport. Und ich kann für mich behaupten, so langsam an einen Punkt zu gelangen, an dem ich diese Aussage endlich auch lebe.
Leider total unsportlich.
Und wo wir uns schon betont unpathetisch geben: Außer Yoga und Aufschreiben gibt es noch so vieles, was eigentlich kein Sport ist. Und trotzdem oft so praktiziert wird, als gäbe es Medaillen dafür. Kostprobe gefällig?
Dinge die (genau wie Yoga) auch kein Sport sind:
Essen
Nein, ich rede hier nicht davon, 45 in Cheeseburger in 45 Sekunden zu verdrücken. Ich habe eher das Gefühl, dass die Nahrungsaufnahme in andere Richtungen sportliche Züge angenommen hat: Möglichst wenig, morgens dies, abends das, bloß kein Zucker und bitte alles bioveganregionalverträglich. Leute: Essen ist kein Sport und auch keine Religion. Es ist einfach Essen. Und dabei verlässt man sich am besten auf seinen Appetit und – zusätzlich – auf den gesunden Menschenverstand. Ansonsten muss unser Futter nicht getrackt oder diszipliniert werden.
Lesen
Die Tatsache, dass du diese Zeilen liest, macht dich zum Leser. Glückwunsch. Aber liest du auch schnell genug und hast du schon alle Klassiker der Weltliteratur durch? Mir werden permanent Werbebanner für irgendwelche Apps angezeigt, mit denen man in 45 Sekunden mehr Kapitel als Cheeseburger konsumieren kann. Ist das nicht fantastisch? Speedreading! Meine Meinung: Wenn ich ein gutes Buch gefunden habe, will ich gar nicht, dass es schnell ausgelesen ist. Ich will es genießen und während des Lesens ein bisschen darüber nachdenken.
Sex
Ui, er hat Sex geschrieben! Wird es jetzt endlich schlüpfrig? Sorry, leider nicht. Sex ist Privatsache und Sex ist wunderschön. Und er sollte (genau wie der Genuss von Cheeseburgern und Büchern) zelebriert werden. Also nicht möglichst schnell und viel und variabel. Sondern so, wie er gerade geschieht und so, wie er gerade sein soll. Wenn man sich aber anschaut, wie Sex in den Medien rüberkommt, macht man sich schon Gedanken…
Und noch was, bitte.
Ich liebe meinen Sport. Schon immer bin ich gelaufen, geschwommen und mit dem Rad gefahren. Besonders dieses Jahr brauche ich meinen „Auslauf“ und schaue dabei auch auf die Stoppuhr. Aber nicht (mehr) beim Yoga. Ich brauche meine Praxis ganz dringend, aber ich zwinge mich nicht dazu. Stattdessen versuche ich, auf die Zeichen zu achten. Wann genau brauche ich Yoga und wie genau sieht das dann aus? Da kann es schon passieren, dass ich mich 90 Minuten auspowere, dass der Schweiß nur so fließt. Es kann aber auch sein, dass ich einfach nur auf meiner Matte sitzen und mich ganz leicht hin und her und vor und zurück bewegen will. Oder überhaupt nicht bewegen will. Und das ist der Hauptunterschied zwischen Yoga (und Schreiben und Essen und Lesen und Sex) und Sport: Ich zähle nicht mit, ich quantifiziere nicht. „Yoga every damn day“ ist eine schöne Sache. Aber manchmal ist Yoga eben auch einfach nur eine Tasse Kaffee oder ein Nickerchen. Oder vielleicht auch ein paar Minuten hier auf dem Blog, werte/r Leser/in. Vielen Dank. Namaste.
PS: Das schnieke Shirt und den kuscheligsten Hoodie der Welt auf den Fotos gibt’s in meinem kleinen YOGASTO.RE 😉
Fotos: Liza “Sportskanone” Meinhof